Zur Themen-Übersicht
Klein, aber oho – Im Wallis hat das Wasserkraftwerk Gere seinen Betrieb aufgenommen
Im September 2017 fiel der Startschuss für die Bauarbeiten – und seit dem 31. Juli 2020 produziert das neue Wasserkraftwerk Gere in der Walliser Gemeinde Obergoms nun Strom. Die PostED express-Redaktion sprach mit Diego Pfammatter, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Produktion bei der EnAlpin, über das Projekt, die Herausforderungen und die Erfolge.
PostED express: Herr Pfammatter, herzlich willkommen und vor allem auch herzliche Gratulation zur Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks Gere. Erzählen Sie uns zu Beginn etwas zu den wichtigsten Kennzahlen des Kraftwerks?
Diego Pfammatter: Vielen Dank, ich gebe diese Gratulation direkt an mein Team weiter, das bei diesem Projekt wirklich hervorragende Leistung gezeigt hat. Auf eine grosse Eröffnungsfeier müssen wir leider derzeit aufgrund von Corona verzichten – ich hoffe, wir können diese irgendwann nachholen und das Projekt gemeinsam mit allen Partnern gebührend feiern.
Das Kraftwerk Gere steht in der Gemeinde Obergoms, genauer in Oberwald. Es wird jährlich rund 22 Millionen Kilowattstunden erneuerbaren Strom für rund 5'000 Haushalte produzieren und ist damit das grösste Kleinwasserkraftwerk*, das wir in den letzten zehn Jahren gebaut haben. Dies sowohl, was die installierte Leistung betrifft, als auch das Investitionsvolumen. Das Kraftwerk Gere gehört der KWOG Kraftwerke Obergoms AG, die zu 50,5 % der Gemeinde Obergoms gehört, zu je 24,1 % dem Elektrizitätswerk Obergoms AG und der EnAlpin AG und zu 1,3 % der Gemeinde Goms.
(*Hinweis der Redaktion: In der Schweiz gelten Wasserkraftwerke mit einer Leistung von bis zu 10 Megawatt als Kleinwasserkraftwerke, während in Deutschland nur bei einer Leistung von bis zu 1 Megawatt von einem «Kleinwasserkraftwerk» die Rede ist. Das Kraftwerk Gere hat eine installierte Leistung von 6,7 Megawatt.)
Wir fassen das Gerewasser im Geretal auf einer Höhe von 1’650 m ü. M. Nach der Entsandung wird es mittels einer Druckleitung, die in einem 2‘560 m langen, neu gebauten Stollen verlegt wurde, bis in die Zentrale am Fusse des «Hungerbärgs» in Oberwald (1‘390 m ü. M.) geführt. Zwei Maschinengruppen nutzen das Gefälle von 260 m und turbinieren bis zu 3‘000 Liter pro Sekunde. Danach gelangt das Wasser wieder zurück in das Bachbett der Goneri.
PostED express: Wie kam denn die Idee zum Kraftwerk Gere?
Diego Pfammatter: Die Idee zum Kraftwerk war eigentlich schon uralt – die Vorgänger unserer Vorgänger haben da oben sogar mal eine Staumauer geplant. Seither wurden unterschiedliche Varianten angedacht und verschiedenste Studien durchgeführt.
Als der Bundesrat dann im Jahr 2007 entschieden hat, erneuerbare Energien mit der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV zu fördern, hat man sich darangemacht, Kleinwasserkraftwerke gezielt zu planen und umzusetzen. So konnten wir im Rahmen dieses Förderprogramms in den letzten zehn Jahren mehr als zehn Kraftwerksprojekte umsetzen.
PostED express: Und wie lange hat das Projekt Kraftwerks Gere gedauert?
Diego Pfammatter:(lacht) Lange … und irgendwie doch nicht: Gebaut haben wir das Kraftwerk in rund zweieinhalb Jahren – innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens. Was richtig lange gedauert hat, war das Bewilligungsverfahren, das bereits im Jahr 2008 gestartet ist.
Nachdem uns die Konzession damals erteilt wurde, haben verschiedene Umweltverbände Einsprache eingelegt und diese bis vor das Bundesgericht gezogen. Schliesslich ist ein Bundesrichter persönlich ins Geretal gereist, hat die Lage vor Ort begutachtet und den Umweltverbänden teilweise recht gegeben: Wir durften nur den Hauptbach und nicht wie ursprünglich geplant einen zusätzlichen Seitenbach fassen und mussten das Projekt entsprechend überarbeiten und eine neue Konzession beantragen.
Am 21. Dezember 2016 kam dann endlich die Baubewilligung, und wir konnten in die Detailplanung gehen. Und im September 2017 ging’s dann los mit den Bauarbeiten. Von da an ging dann alles ziemlich flott.
PostED express: Wenn Sie heute auf das Projekt zurückblicken: Was waren die grössten Herausforderungen – und wie haben Sie sie gemeistert? Oder anders gefragt: Worauf sind Sie besonders stolz?
Diego Pfammatter: Besonders stolz bin ich sicher darauf, dass wir beim Bau sowohl den zeitlichen als auch den finanziellen Rahmen eingehalten haben und unfallfrei durch die Bauarbeiten gekommen sind. Wir hatten ein Budget von 36 Millionen Franken – wobei ca. 1 Million rein für das Baubewilligungsverfahren verwendet wurde – und werden innerhalb dieses Budgets abschliessen. Zudem konnten wir zwei Arbeitsplätze in der Region schaffen und unsere Partnerschaft mit den beteiligten Gemeinden weiter stärken.
Zu den Herausforderungen gehörte – neben dem extrem aufwendigen Bewilligungsverfahren, das wie gesagt rund acht Jahre in Anspruch genommen hat – sicher die Tatsache, dass wir in alpinem Gebiet gebaut haben und in den Jahren 2017 bis 2019 sehr strenge Winter und somit nur kurze Zeitfenster für den Bau hatten. Wir hatten bei der Fassung extrem steiniges und bei der Zentrale sehr felsiges Gebiet, was uns immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt hat. Und als beim Test der Druckleitung ein Rohr undicht war, mussten wir mitten in der Coronazeit ein neues Rohr in Spanien bestellen. Die Elektromechanik aus Südtirol traf mit einer Verzögerung von drei Wochen ein. Aber Ende gut – alles gut. Und wir hatten auch immer wieder mal Glück: So war die Geologie für den Tunnelbau schlussendlich besser, als vom Geologen prognostiziert, und wir kamen bei den Sprengungen für den 2'560 m langen Stollen besser voran als geplant.
Jetzt machen wir noch letzte Umgebungsarbeiten, und dann ist das Projekt definitiv abgeschlossen.
PostED express: Und wann bauen Sie das nächste Wasserkraftwerk?
Diego Pfammatter: Leider nicht in naher Zukunft. Zurzeit unterstützen wir mit unserem Know-how noch den Bau eines Kleinwasserkraftwerks im Lötschental, bei dem wir aber nicht beteiligt sind, aber dann ist wohl vorerst Schluss: Die Mehrheit der Bäche, die hydroelektrisch sinnvoll nutzbar wären, wird heute schon genutzt – das Potenzial an ungenutzten Gewässern ist klein. Zudem hat der Bundesrat seine Förderstrategie geändert, und ohne eine staatliche Förderung ist der Bau von Kleinwasserkraftwerken leider nicht wirtschaftlich.
Aber die Arbeit geht uns nicht aus: Als Nächstes steht ein Retrofit des Kraftwerks Mörel an mit einer Teilerneuerung der Maschinengruppen 1 und 2.
PostED express: Herzlichen Dank, Herr Pfammatter, für die vielen interessanten Informationen – und alles Gute für die Zukunft!
Die Menschen hinter dem Projekt «Kraftwerk Gere»
Gesamtprojektleiter: Diego Pfammatter
Oberbauleitung: Michel Salzgeber
Elektromechanik: Romeo Hutter
Projektcontrolling: EnAlpin
0 Kommentare