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Zehn Jahre Neubau des Kraftwerks Rheinfelden: War es das letzte seiner Art?
Vor zehn Jahren feierte Energiedienst mit prominentem Besuch die Einweihung des neuen Kraftwerks Rheinfelden. Unter anderem gab sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Ehre. Kein Wunder: Der Neubau war ein Jahrhundertprojekt für das Unternehmen und die Region. Bis heute zehren die damals Beteiligten von den Erfahrungen.
Wenn Diplom-Ingenieur Helmut Reif auf „sein“ Kraftwerk zu sprechen kommt, hat er leuchtende Augen. Ohne Notizen fasst er im Gespräch die Entstehung des Neubauprojektes zusammen – von den ersten Plänen in den späten 1980er Jahren bis zur großen Einweihungsfeier. Diese liegt nun genau ein Jahrzehnt zurück: Im September 2011 würdigte Energiedienst mit vielen Besuchern den Abschluss seines Jahrhundertprojekts.
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Projekt- und Bauleiter in einem
24 Jahre lang, von 1988 bis zu seiner Pensionierung 2012, hat Helmut Reif den Neubau des Kraftwerks als Projekt- und zugleich Bauleiter leidenschaftlich begleitet. Bis heute erinnern sich einstige Mistreiter an seinen unermüdlichen Einsatz, der keine Wochenenden kannte. Bis heute schwärmt Helmut Reif, denkt er an jene Zeit zurück. Denn das Projekt lief mustergültig. Der Neubau war nicht nur zwölf Monate früher vollendet, sondern auch deutlich unter Budget. Die letzte Turbine ging bereits Ende 2010 ans Netz, und der Projektleiter rechnete mit 350 Millionen Euro ab – budgetiert waren 380 Millionen. „Das Einzige, was nicht im Zeit- und Budgetplan lag, war der Ausstellungspavillon, der auf der deutschen Rheinseite an das alte Kraftwerk erinnert “, schmunzelt er.
Eine Baustelle, zwei Staaten
Als Helmut Reif zu KWR stieß – in Energiedienst wurde das Unternehmen erst später umbenannt –, brachte er viel Erfahrung mit: Denn er hatte zuvor den Neubau des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich verantwortet. „Ein Wasserkraftwerk war allerdings etwas ganz Anderes“ räumt er ein. Nicht zuletzt ein hochmotiviertes und fähiges Team sowie ein exzellentes Zusammenspiel aller beteiligten Firmen und Dienstleister sorgten jedoch für ein gutes Gelingen von Anfang an. „Man muss eben auch Glück haben, dass man mit guten Firmen und Mitarbeitern zusammenarbeiten darf“, lobt Helmut Reif alle Beteiligten. „Auch die Zusammenarbeit mit der EnBW und den Behörden war angenehm und konstruktiv.“ Alles lief wie am Schnürchen trotz der Besonderheit, dass bei dem grenzüberschreitenden Neubauprojekt gleich zwei Staaten mit ihren Behörden und Regularien mitmischten. „Auch das hat super funktioniert.“
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Modellversuche an der Uni Karlsruhe
Damit später im Großen alles passte, gingen dem Neubau intensive Modellversuche an der Uni Karlsruhe voraus. Von 1992 bis 1994 führte das Institut für Wasserbau und Kulturtechnik diese Versuche an einem Gesamtmodell des Kraftwerks durchs. Dieses war 60 Meter lang. Die Arbeit mit dem Modell erwies sich als Segen: „Ohne sie hätten wir arge Probleme bekommen“, erzählt Helmut Reif. „Das Maschinenhaus hätte zum Beispiel in der ursprünglichen Planung so nicht funktioniert. Wegen der Flusskurve wäre es dort zu Verwirbelungen gekommen. Das Modell zeigte uns diese Schwäche auf, und so konnten wir nachbessern.“
Im September 1994 hatte das Team den Bauantrag fertig. Vier Jahre später gaben die Behörden beider Länder grünes Licht. Zuerst errichtete Energiedienst das Stauwehr. Dann folgte das Maschinenhaus. Im Mai 2010 ging die erste Turbine in Betrieb. Ab Ende 2010 liefen dann alle vier Turbinen. Das neue Kraftwerk war fertig.
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„Altes Kraftwerk war am Ende“
Der Rückbau des legendären Vorgängers von 1898 hatte bereits begonnen, von mancher Diskussion begleitet. Nicht nur mit dem Denkmalamt gab es Debatten. Denn das alte Kraftwerk galt als eine technische Pionierleistung – und als der Ursprung des deutschen Rheinfeldens, das bei der Errichtung noch nicht existierte. „Das alte Kraftwerk war aber am Ende“, stellt Helmut Reif klar. „Es war in schlechtem Bauzustand, technisch veraltet. Es musste abgerissen werden.“
Dass die Party für das neue Kraftwerk erst im September 2011 stieg – ein Dreivierteljahr nach der Fertigstellung –, hatte Gründe: „Wir warteten, bis dass das alte Kraftwerk weg und das Ausgleichsgewässer schon in der Entstehung war“, erklärt Helmut Reif.
Beteiligte zehren bis heute von den Erfahrungen
Viele der damals am Neubau Beteiligten sind nach wie vor bei Energiedienst – zum Beispiel Hansjörg Matt, Beat Karrer, Stefan Ficht und Jochen Ulrich. „Wir hatten in unserem Team super Leute“, lobt Helmut Reif. „Und die haben so viele Erfahrungen aus dem Projekt mitgenommen, dass sie bis heute davon zehren.“
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Wohl keine weiteren Neubauten dieser Art
Bis heute wohnt der gebürtige Franke in Rheinfelden (Baden). Sein Grundstück hat einen direkten Zugang zum Rhein. Immer noch sprechen ihn Menschen auf den Kraftwerksneubau an. Gerne steht er dann Rede und Antwort. Nach seiner Pensionierung hielt er sogar Vorlesungen zum Thema Wasserkraftpraxis an der Uni Stuttgart. In einem Punkt empfindet er Wehmut: „Leider können die damals Beteiligten ihr bei dem Neubau erworbenes Wissen nicht weitergeben. Denn weitere Neubauten dieser Art wird es in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland wahrscheinlich nicht geben. Zum einen sind nämlich die Kapazitäten an unseren Flüssen erschöpft. Und zum anderen sind die bestehenden Flusswasserkraftwerke entweder in den letzten Jahren saniert worden – oder man wird sie sanieren, nicht aber abreißen und völlig neu bauen.“
Deshalb lässt sich feststellen, dass so, wie das alte Kraftwerk Rheinfelden ein Anfang war, das neue Kraftwerk Rheinfelden wohl einen (vorläufigen) Schlusspunkt gesetzt haben dürfte.
Das Wasserkraftwerk Rheinfelden in Zahlen
Errichtung:
- Bauzeit: 7,5 Jahre (= 2003 - 2010)
- Baukosten: 350 Mio. € (tatsächlicher Abschluss; Plan = 380 Mio. €, zunächst 430 Mio. €)
- Menge verbauter Beton: 176‘000 m3
- Menge verbauter Betonstahl: 16‘000 t
- Menge ausgehobenes Gestein: 1,6 Mio. m3
- Tiefster Baustellenpunkt: 35 Meter unter Rheinpegel
- Anzahl Besucher Baustelle seit 2003: 87'246 Besucher in 3'720 Führungen
Betrieb:
- Anzahl Turbinen: 5 (= 4 doppelt regulierbare Rohrturbinen + 1 Dotierturbine)
- Leistung: 100 MW
- Ausbauwassermenge: 1'530 m3/s
- Jahresproduktion: 600 Mio. kW Ökostrom für ca. 170'000 Haushalte
- CO2-Ersparnis: 300 Mio. kg/Jahr
- Stromproduktion seit Inbetriebnahme: 6'188'152 MWh
- Abflussmenge Rhein seit Inbetriebnahme: ca. 360'800'876'935 m³ (= ca. 361 km3)
- Wehrlänge: ca. 200 m
- Anzahl Wehröffnungen: 7
- Anzahl Wehrschützen: 7 (je 24,50 m breit, 7,50 m hoch. 90 t schwer)
- Kapazität Stauwehr: 5'400 m3/s
- Höhe zusätzliche Anstauung Oberwasser: 1,40 m
- Anzahl Besucher seit 2011: 54'469 in 2'052 Führungen
- Anzahl Besucher gesamt (= 2003 - 2021): 141'715 in 5'772 Führungen
Zeittafel zum Kraftwerk Rheinfelden
1988 | Erstes Gutachten zur Umweltverträglichkeit eingereicht |
1989 | KWR erhält Konzession für weitere 80 Jahre Kraftwerksbetrieb unter der Auflage, ein neues Kraftwerk zu bauen |
1990 | Planungsbeginn |
1990 - 1994 | Forschung im Labor |
1994 | Bauantrag eingereicht |
1998 | Baugenehmigung erteilt |
2003 | Bau des Stauwehres gestartet |
2006 | Bau des Maschinenhauses gestartet |
2010 | Mai: erste Turbine gestartet |
2010 | Dezember: Inbetriebsetzung gesamtes Kraftwerk |
2010 | Abschaltung und Beginn Rückbau des alten Kraftwerks |
2011 | September: Einweihungsfeier |
2069 | Auslauf der jetzigen Konzession |
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