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Treffsicher mit Kunden Produkte entwickeln
Eine neue Herangehensweise soll die Produktentwicklung schlanker, kostengünstiger und kundengerechter machen. Der Clou: Kunden werden frühzeitig in die Entwicklung eingebunden und beeinflussen so das Ergebnis. Der Bereich Photovoltaik nimmt diesbezüglich eine Pionierrolle bei Energiedienst ein.
Der Anstoß kam von Marco Keller. Nachdem der Teamleiter Photovoltaik vor eineinhalb Jahren sein Masterstudium abgeschlossen hatte, bot sich ihm nun die Gelegenheit, sein theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen. „In meiner Masterarbeit ging es um die Entwicklung von Geschäfts- und Produktideen mit Kunden zusammen“, erzählt der damalige MBA-(„Master of Business Administration“-)Student. „Es ging um ,Lean Start-ups‘, also um möglichst schlanke Produkt-Starts sowie die Entwicklung neuer Geschäftsideen.“
Beispiel Dienstleistung für PV-Besitzer
Was ist damit gemeint? Ein aktuelles Beispiel von Energiedienst macht schlanke Produktentwicklung greifbar. Der PV-Bereich entwickelt ein „Post-EEG-Produkt“ für die Besitzer von PV-Anlagen, deren Förderung jetzt ausläuft. Diese stehen nach dem Wegfall der durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) garantierten 20-jährigen Einspeisevergütung vor der Herausforderung, ihre Anlage ohne die staatliche Subvention effizient weiterzubetreiben (mehr dazu: siehe Infokasten unten).
„Als Erstes haben wir versucht, uns so gut wie möglich in die betroffenen Kunden hineinzuversetzen“, berichtet Marco. „Wir haben uns überlegt, welche Fragen sie umtreiben, und dabei folgende Fragen identifiziert:
Was passiert nach dem Ende meines EEG-Vertrages?
Darf ich meinen Solarstrom weiter in das Netz einspeisen?
Bekomme ich für den Solarstrom noch Geld?
Welche Optionen habe ich eigentlich?
Gibt es überhaupt Möglichkeiten für einen Weiterbetrieb meiner Anlage, und welche sind das?
Erhalte ich dazu eine Beratung? Wenn ja, wer weiß Bescheid und kann mir helfen?
Nachdem wir diese Fragen zusammengetragen hatten, erkannten wir, dass es bislang kaum Produkte oder Dienstleistungen gibt, die den Betreibern hierbei helfen.“
Im nächsten Schritt versuchte das Team, das zu entwickelnde Produkt ganzheitlich zu erfassen. Hierbei ist es das Ziel, so früh wie möglich in der Produktentwicklung ein Geschäftsmodell zu definieren. Somit hatte das PV-Team bald ein „Rohprodukt“, das es testen und weiterentwickeln konnte.
Testkunden sollen Feedback liefern
Im nächsten Schritt kreierte das PV-Team gemeinsam mit verschiedenen Unternehmensbereichen eine Landingpage. Diese beschrieb das Produkt und stellte die Kundenvorteile heraus. „Ziel dieser Landingpage war es nicht, das Produkt zu verkaufen, sondern Testkunden zu finden“, erläutert Marco. „Diese sollten das Produkt ausprobieren und unsere Annahmen bestätigen oder widerlegen. Außerdem sollte der Test dazu dienen, die Nachfrage nach dem Produkt besser abschätzen zu können. Schließlich sollten wir rechtzeitig wissen, ob ein Interesse daran besteht.“
Innerhalb der ersten Woche machte das PV-Team rund 20 Interessenten aus. Im Ganzen meldeten sich an die 50 Personen. „Mit den meisten von ihnen telefonierten wir. Dabei erklärten wir das geplante Produkt und besprachen das Vorgehen. Außerdem nahmen wir die ersten Wünsche und Ansprüche an das Produkt auf. So erfuhren wir Weiteres über die Kundenbedürfnisse.“ Im nächsten Schritt wählte das Team fünf Testkunden aus: Privatleute mit Anlagen in einem Alter von 15 bis 20 Jahren – und allesamt potenzielle Kunden, die das Produkt kaufen würden. Fünf Kunden sind Marco zufolge das nötige Minimum, um die wichtigsten Erfahrungen sammeln zu können. Seit Mai finden nun die Produkttests statt. Ziel ist, im Spätsommer mit dem Produkt an den Start zu gehen.
Anregungen und Kritik beeinflussen das Resultat
Wie laufen die Produkttests ab? „Das Produkt wird unter realistischen Bedingungen getestet. Wir machen den Test-Check der Anlage. Zum Schluss erhalten die Kunden eine Dokumentation über den Zustand ihrer PV-Anlage.“ Drei dieser Tests sind schon durchgeführt worden. Auch dabei lernte das PV-Team: „Die abschließende Dokumentation war den Kunden zu technisch“, räumt Marco ein. Als Hausaufgabe nahm er mit, das Endprodukt klarer, verständlicher zu machen. Nun will das PV-Team ein Dashboard entwickeln, auf dem die Kunden über eine einfache Bildsprache sofort den Zustand ihrer Anlage erkennen – zum Beispiel mit den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün.
„Wichtig bei diesen Tests ist auch die Frage nach dem Preis“, ergänzt Marco. „Würden die Kunden dafür die Summe X bezahlen, in diesem Fall 399 Euro inklusive Mehrwertsteuer? Die Antwort ist: Ja, sie sind dazu bereit.“
Den Aufwand überschaubar halten
Produkte auf diese Weise – schlank und agil und mit frühzeitiger Kundeneinbindung – zu realisieren, ist ein neuer Ansatz für Energiedienst. „Diesen wollen wir auch in künftigen Produktentwicklungen verfolgen“, sagt Marco. So bleibe der Aufwand bis zum Produkttest überschaubar. „Dadurch vermeiden wir, dass wir mit enormem Aufwand und hohen Kosten ein Produkt entwickeln, das dann womöglich gar nicht ankommt. Mit dieser Methode fahren wir günstiger.“
Ein neuer Standard für die ED-Gruppe
Marco freut sich, dass ihm die Inhalte seiner Masterarbeit nun in der Praxis weiterhelfen. Und bereits jetzt zieht der neue Ansatz für die Produktentwicklung Kreise. Katharina Jeggle, Produktmanagerin im Bereich C (Corporate Communication + Marketing), setzt im Rahmen des Zukunftsthemas #5 („Wachstumsstrategie Strom- und Gasvertrieb“) einen Prozess für die Produktentwicklung auf, der in die gleiche Richtung geht und für alle Bereiche des Unternehmens Standard werden soll. „Wir wollen einen Innovationsausschuss bilden“, erzählt Katharina. „Nach den jeweiligen Testphasen wollen wir dort entscheiden, ob wir ein Produkt auf den Markt bringen oder verwerfen – oder ob wir es anpassen müssen. Das soll ein fixes Gremium werden.“
Post-EEG-Produkt: Darum geht es
Nach 20 Jahren erhalten über das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) geförderte PV-Anlagen keine Einspeisevergütung mehr. 2021 fallen bzw. fielen die ersten PV-Anlagen aus der EEG-Vergütung. Wegen der bis dahin hohen Förderung waren die betroffenen Anlagen in der Regel nicht für einen Eigenverbrauch des Solarstroms ausgerichtet: Dieser wurde komplett in das Netz eingespeist. Die heutige Einspeisevergütung ist allerdings so gering, dass sich dies nicht mehr lohnt. Stattdessen empfiehlt sich der Eigenverbrauch.
Anlagen, die zur Volleinspeisung des Solarstroms ins Netz installiert wurden, müssen umgerüstet werden, um einen Eigenverbrauch zu ermöglichen. Außerdem sollte die Eigenverbrauchsquote so hoch wie möglich sein. Hierzu sind Speicher oder auch Ladestationen für Elektroautos sinnvoll. Je nach Anlage können diese Umrüstungen einen erheblichen Aufwand bedeuten. Vielen Betreibern ist der Zustand ihrer nun 20-jährigen Anlagen gar nicht bewusst. Überdies wissen sie nicht um die Möglichkeiten, da sie bislang oft nur wenig mit ihren PV-Anlagen zu tun hatten.
Vor diesem Hintergrund beschloss das deutsche PV-Team, eine Dienstleistung zu entwickeln, die den Kunden hilft, ihren Solarstrom so gut wie möglich selbst zu nutzen. Für die Testkunden ist der Check kostenlos. Nach dem Produkttest erhalten sie einen Fragebogen mit folgenden Fragen:
- Wie empfanden Sie den PV-Check?
- Hat aus Ihrer Sicht etwas gefehlt?
- Falls ja, was?
- Kennen Sie nun den Zustand Ihrer PV-Anlage besser als vorher?
- War die Dokumentation für Sie ausreichend?
- Was gefällt Ihnen an der Dokumentation?
- Was gefällt Ihnen nicht?
- Würden Sie für den PV-Check 399,- € inkl. MwSt. bezahlen?
- Würden Sie diese Dienstleistung an Besitzer von PV-Anlagen weiterempfehlen?
- Was wollen Sie uns noch mitteilen?
Sobald der Produkt-Check bei allen fünf Testkunden durchgeführt wurde und alle Fragebogen ausgewertet sind, kann das PV-Team bestimmen, ob das Produkt wie geplant oder mit Anpassungen auf den Markt kommen kann.
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