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Gemeinsam für das Netz der Zukunft

Der Wandel der Energieversorgung stellt die Verteilnetzbetreiber vor große Herausforderungen. Um diese zu bewältigen, setzt naturenergie netze – neben technischer Kompetenz – auf ein Innovationsmanagement, das die Mitarbeitenden einbindet und begeistert. Wir sprachen mit Franziska Heidecke, Leiterin Digitalisierung und Innovation bei naturenergie netze.

 

Franziska, die Energiewelt verändert sich rasant. Immer mehr Strom stammt aus erneuerbaren Energien. Was bedeutet das für Verteilnetzbetreiber?

Franziska Heidecke: In der Vergangenheit hatten wir in Deutschland etwa hundert große Kraftwerke, die über die Hoch- oder Höchstspannungsebene ans Netz angeschlossen waren. Ihre Energieerzeugung richtete sich immer nach dem Energieverbrauch.

Dagegen speisen heute bereits über zwei Millionen dezentrale regenerative Erzeugungsanlagen Strom vorrangig ins Netz der Mittel- und Niedrigspannung – also in den Bereich, für den Verteilnetzbetreiber wie naturenergie netze verantwortlich sind.

 

Die Anzahl wird nach den Plänen der Bundesregierung noch deutlich und schnell steigen.

Der neue Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht vor, dass 80 Prozent des Stromverbrauchs bis zum Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien stammen. Diese Erzeugungseinheiten werden sich deshalb drastisch vermehren. Die gleiche Geschwindigkeit und Entwicklung wird auch für die Elektromobilität vorausgesagt: Laut Koalitionsvertrag soll es bis 2030 in Deutschland 15 Millionen Elektroautos geben, deren Ladebedarf vor allem in den Verteilnetzen gedeckt wird.

Die große Herausforderung ist also die Fluktuation der Erzeugung bei gleichzeitiger Fluktuation der Nachfrage. Wir als Verteilnetzbetreiber spielen die entscheidende Rolle für die Integration der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität in die deutsche Stromversorgung. Dabei werden wir unseren Beitrag dafür leisten müssen, dass das Gleichgewicht zwischen Energienachfrage und Einspeisung gewahrt bleibt.

 

Wie reagiert Ihr auf diese Herausforderung?

Das Thema ist relativ neu für uns, denn zuvor waren vor allem die Übertragungsnetzbetreiber für die Stabilität der Netze verantwortlich. Das war eine wesentlich einfachere Situation, denn davon gibt es nur vier. Dagegen engagieren sich hierzulande an die 1.000 Verteilnetzbetreiber – damit steigt der Abstimmungsaufwand. Ein wichtiger Ansatz ist deshalb die Digitalisierung.

In Zeiten, als es noch keine dezentrale, regenerative Energieerzeugung gab, floss der Strom immer vom Kraftwerk zum Verbraucher. Was vielen nicht klar ist: Die unteren Spannungsebenen waren hier intransparent. Die letzte Echtzeitmessung fand im Umspannwerk beim Mittelspannungsabgang statt – was danach kam, lag im Dunkeln.

Als ersten wichtigen Schritt gehen wir deshalb die Transparenz im Verteilnetz an. Wir müssen wissen, von wo der Strom wohin fließt.

Der zweite Schritt ist die Steuerbarkeit zum Beispiel in Form von Lastmanagementsystemen. Nur weil ich weiß, was passiert, kann ich ja noch lange nicht eingreifen – deshalb müssen diese beiden Schritte zusammen gedacht werden.

 

Wirkt sich die vermehrte Einspeisung regenerativer Energien bereits auf die Verteilnetze aus? Und wie wird das Netz fit für die Zukunft?

Bislang kommt es in unserem Netzgebiet noch zu keinen Engpässen, denn wir haben in der Vergangenheit so große Kapazitäten geplant, dass wir momentan noch gut aufgestellt sind – aber wir bereiten uns trotzdem vor.

Tatsächlich haben wir beim Thema Transparenz im Branchenvergleich eine gute Position. Schon 2021 statteten wir 180 Ortsnetzstationen mit sogenannter Smightsensorik – einer Sensorik für Niederspannungsabgänge – aus. Ende vorigen Jahres haben wir eine Datenanalyse gestartet, die wir Anfang dieses Jahres abschließen konnten. Auf dieser Basis entwickelten wir einen Rollout-Plan für das Gesamtnetz. 2022 kommen hundert neue Stationen dazu, die Zielgröße sind 460 Stationen.

Dabei wird die Digitalisierung den klassischen Netzausbau nicht ablösen – aber sie gibt uns die Möglichkeit, den Ausbau effizienter und zielgerichteter vornehmen zu können.

 

Die Welt der Stromnetze hat sich in kurzer Zeit grundlegend verändert. Was bedeutet das für die Mitarbeitenden bei naturenergie netze?

Bisher haben wir nur über die technische Sicht der Dinge gesprochen. An dieser Stelle ist es mir deshalb wichtig zu betonen, dass wir eine Firma sind, in der viele Menschen arbeiten, die für die Versorgungssicherheit brennen. Das sah man zum Beispiel vor Kurzem beim ungemütlichen April-Wetter: Da waren die Kollegen bei Sturm und Regen draußen und machten ihren Job, um die Energieversorgung unserer Kunden sicherzustellen – und das wird auch so bleiben. Aber wir brauchen auch neue Fähigkeiten und Arbeitsweisen. Bei naturenergie netze haben wir bereits angefangen, diese einzuführen und zu leben, zum Beispiel durch unsere InnoWerkstatt. Sie ist ein wichtiger Teil unseres Innovationsmanagements.

 

„Im Zentrum stand die Frage: Wie können wir unser Zielbild gemeinsam erreichen, und welche Ideen habt Ihr – die Mitarbeitenden – auf dem Weg dorthin?“

Franziska Heidecke, Leiterin Digitalisierung und Innovation bei naturenergie netze

Was genau ist die InnoWerkstatt?

Wir als naturenergie netze haben im vorigen Jahr unser Zielbild entwickelt, eine Visualisierung zentraler Themen, die wir bis zum Jahr 2030 angehen und umsetzen werden. Das Zielbild ist eine Art Kompass für unsere Mannschaft, der es uns ermöglicht, gemeinsam über dieselben Dinge zu sprechen.

Wie schon erwähnt, sind die neuen Herausforderungen für Verteilnetzbetreiber nicht nur technischer, sondern auch organisatorischer Natur. Deswegen habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie wir dieses Zielbild noch greifbarer gestalten können. So wurde die Idee geboren, eine InnoWerkstatt ins Leben zu rufen. Im Zentrum stand dabei die Frage an die Mitarbeiter: „Wie können wir unser Zielbild gemeinsam erreichen, und welche Ideen habt Ihr auf dem Weg dorthin?“

 

Wie lief das Projekt InnoWerkstatt konkret ab?

Zunächst mussten wir die Aufmerksamkeit der Kolleginnen und Kollegen gewinnen. Wir organisierten deshalb eine Guerillaaktionswoche. Dabei brachten wir zum Beispiel an allen Stützpunkten große Sticker mit dem Zielbild an, spielten es auf den Hintergrundbildschirmen der PCs ab und schickten allen Mitarbeitenden eine Motivationsbox nach Hause.

Außerdem veranstalteten wir eine Roadshow und besuchten die einzelnen Stützpunkte, um für die InnoWerkstatt zu werben.

Wer mitmachen wollte, konnte sich über das Tool IdeaChamp unkompliziert mit seinem ED-Netze-Account anmelden. Unser Ziel lautete 50 oder 60 Anmeldungen. Am Ende haben sich 165 Kolleginnen und Kollegen auf der Plattform registriert – das sind fast 50 Prozent unserer Belegschaft. 66 Ideen kamen aus dem Kollegenkreis – auch hier wurden unsere Erwartungen weit übertroffen.

Anfang Dezember vergangenen Jahres war die Ideen-Einreichung abgeschlossen, und eine zehnköpfige Jury mit Mitgliedern aus allen Fachbereichen und Hierarchiestufen machte sich an die Auswahl. Vor Weihnachten fiel die erste Entscheidung. Zehn Ideen kamen in die engere Auswahl. Die Ideengeber konnten ihre Projekte Anfang Januar noch weiter ausgestalten, bis sie diese beim großen Pitchday am 9. Januar dann vorstellten. Der Pitchday fand digital statt, und eine große Zahl an Mitarbeitenden fieberte vor den Bildschirmen mit. Unser Plan war, drei Ideen für die Umsetzung auszuwählen, es wurden dann aber vier.

 

Um welche Projekte handelt es sich dabei?

Ein Thema ist eine Art Bürgermeister-App – eine IT-Lösung, die Informationsbedürfnisse von Bürgermeistern gegenüber uns als Netzbetreibern feststellt und bedient. Weitere Ideen drehen sich um die Vergrößerung der Hausanschlussleistung, ein Auskunftsportal bezüglich aktueller Bautätigkeit und eine interne Wissensdatenbank.

 

Was passiert mit den Ideen, die es nicht unter die besten vier schafften?

Dazu muss man wissen, dass die Geschäftsführung neun Ideen sofort umgesetzt hat. Dabei handelte es sich um operative Ansätze, zum Beispiel neue Mobiltelefone für unsere Monteure, die den gewandelten Ansprüchen der Kommunikation entsprechen, oder eine bessere Kenntlichmachung unserer Dienstleister.

Aber auch alle anderen Einsendungen sind in der Software gespeichert und könnten später noch einmal eine Rolle spielen – es geht nichts verloren.

„Wichtige Anregungen nehmen wir gerne jederzeit auf.“

Franziska Heidecke

Wie geht es weiter mit der InnoWerkstatt?

Wer eine gute Idee hat, muss nicht unbedingt auf die Neuauflage des Projekts warten – wir nehmen wichtige Anregungen auch jetzt auf. Ich denke, dass wir Anfang nächsten Jahres eine zweite Staffel der InnoWerkstatt starten. Sicher nicht identisch mit dem Pilotprojekt, aber wir möchten auf jeden Fall weitermachen.

 

Wie ist es Euch gelungen, den Mitarbeitenden zu vermitteln, dass die InnoWerkstatt keine Spielerei ist, sondern eine Anwendung, die Euch die Arbeit erleichtert und die langfristig notwendig ist?

Das A und O ist es, die Kolleginnen und Kollegen abzuholen. Und das ist uns durch die Einführung des Projekts mit entsprechenden Aktionen und mit der Roadshow gelungen. Wichtig war auch der professionelle Eindruck, den das Tool IdeaChamp vermittelt.

 

Denkst Du, die InnoWerkstatt kann einen Beitrag leisten, das Netz der Zukunft zu gestalten?

Unbedingt! Technische Kompetenz allein bringt uns nicht erfolgreich ins Netz der Zukunft. Das gelingt uns nur, wenn wir die Kolleginnen und Kollegen mitnehmen und begeistern – und dabei helfen uns Formate wie die InnoWerkstatt.

 

 


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