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Schaffen am Kraftwerk: Mit räumlicher Trennung die Infektionsgefahr eindämmen

 

COVID-19 hat unser Leben verändert. Privat wie beruflich. Auch die Zusammenarbeit in und an unseren Kraftwerken – intern ebenso wie mit externen Partnern – läuft anders als noch vor zwölf Monaten. Roland Kistner vom Bereich KE – Engineering und Tom Hellriegel vom Bereich KB – Betrieb und Instandhaltung können dazu einiges erzählen.

Während Tom Hellriegel als Leiter für den Betrieb in den Kraftwerken verantwortlich ist, betreut Roland Projekte wie beispielsweise die Stauwehrsanierung in Laufenburg. Auch Baustellen in den Kraftwerken Ryburg-Schwörstadt und Augst-Wyhlen fallen in seinen Aufgabenbereich. Alle diese Projekte erfordern eine enge Zusammenarbeit mit externen Spezialisten. Zusammengerechnet ist aktuell circa ein Dutzend von ihnen an den Kraftwerken im Einsatz – allerdings niemals zur selben Zeit oder am selben Ort. Je nach Tätigkeit halten sich diese Spezialisten zwischen zwei Tagen und sechs Monaten an diesen Baustellen auf.

 

Jeder Kontakt ist ein Risiko

In Zeiten der Pandemie stellt jeder Kontakt zwischen Menschen ein Risiko dar. Roland und Tom machen deutlich, welche Folgen das für die Kraftwerke haben kann: „Wenn sich das Virus in einer Mannschaft verbreitet und diese dann ausfällt, haben wir ein Problem. Denn wir müssen ja den Betrieb aufrechterhalten.“

Der Gefahr eines solchen Personalausfalls vorzubeugen, hat daher oberste Priorität. Auch wenn es nie hundertprozentige Sicherheit gibt, lässt sich das Risiko dennoch vermindern. Roland und Tom benennen vor allem drei Kontaktarten, welche ein Risiko darstellen:

  1. Kontakte zwischen verschiedenen Standorten

  2. Kontakte zwischen der eigenen Mannschaft und Fremdpersonal

  3. Kontakte im privaten Umfeld

Schichtbetrieb ist über lange Zeit aufwendig

Die Kraftwerksleitung entwickelte mehrere Sicherheitsmaßnahmen. Als Erstes erweiterte sie die standardmäßigen Einweisungen zu Sicherheit und Verhaltensregeln um die bekannten Hygiene- und Abstandsgebote. Später folgten weitere Maßnahmen wie die Beschränkungen von Personenzahlen in Pausenräumen und Aufzügen oder die Maskenpflicht. Darüber hinaus teilte die Kraftwerksleitung die Mannschaften in zwei Schichten auf. Morgen- und Mittagsschicht durften einander nicht mehr begegnen. Der Schichtbetrieb war allerdings belastend für die Betroffenen, und die Zusammenarbeit mit Fremdfirmen gestaltete sich schwierig. „Inzwischen sind wir deshalb zu einem anderen System gewechselt“, erklärt Tom. „Heute entsenden wir zwei Mann aus jedem Kraftwerk in ein anderes Kraftwerk für eine Zeit von zwei bis drei Monaten. Dadurch lernen die Kollegen die anderen Kraftwerke kennen. Und sollte eine Mannschaft durch Ansteckung oder Quarantäne ausfallen, würden wir die beiden entsendeten Kollegen als Notbetriebsteam in ihr Stammkraftwerk zurückholen.“ Die Ausbildung der Kollegen in einem zweiten Kraftwerk ist dabei ein positiver Nebeneffekt.

„Indem wir Kollegen in andere Kraftwerke entsenden, haben wir für jedes Kraftwerk ein Notbetriebsteam.“

Tom Hellriegel, Leiter Betrieb und Instandhaltung

Kraftwerker müssen die Standorte kennen

Ein solcher Austausch des Personals ist kein neuer Gedanke. Wie Tom berichtet, sei die Idee schon in früheren Jahren im Hinblick auf einen Austausch der Fachspezialisten aufgekommen, aber vor COVID-19 nicht intensiv weiterverfolgt worden. Die Kraftwerker für mehrere Standorte fit zu machen, erfordere einen beträchtlichen Zeitaufwand: „Die betreffenden Mitarbeiter fehlen dann in dem gut eingespielten Team ihres Stammwerks, das überdies noch die Neuen betreuen und anlernen muss. Die Kraftwerke sind komplexe Anlagen, die man genau kennen muss.“ Jedes Kraftwerk weise andere Verhältnisse auf, habe andere Maschinentypen und Stauwehre. „Da lässt sich nicht einfach das Personal tauschen.“

 

Separate Pausenräume

Eine weitere Maßnahme gegen Ansteckungsrisiken: Externes und internes Personal schaffen, wenn möglich, getrennt voneinander. Es finden jetzt kaum noch direkte Kontakte statt. Selbst Sanitär- und Pausenräume sind separiert. „Zum Glück haben wir genügend Kapazitäten“, sagt Roland. Als Beispiel nennt er einen leerstehenden Ausweichraum auf dem Stauwehr Laufenburg, der nun als Notküche diene – mit Kochplatten, Kühlschrank und Heizung.

Stauwehrsanierung Laufenburg

Seit 2016 läuft die umfangreiche Sanierung der Stauwehrbrücke am Wasserkraftwerk Laufenburg. Inzwischen sind drei von vier Wehrfeldern fertig. Im Februar starten Spezialfirmen mit der Sanierung des noch nicht erneuerten Wehrfeldes 1. Sie soll 2022 beendet sein.

Laufenburg ist das größte Wasserkraftwerk von Energiedienst. Es hat eine Leistung von 106 MW und produziert jährlich 700 GWh Ökostrom. Seit 1914 in Betrieb, besticht es durch seine eindrucksvolle Architektur. Als erstes Rheinkraftwerk wurde es quer in den Fluss gebaut. Es ist ein Industriedenkmal.

Die Kommunikation kann leiden

Nicht allein personeller und räumlicher Abstand erschweren die Arbeit. Durch die Trennung der Teams leide die Kommunikation. In den Pausen fehle der direkte Austausch ebenso wie bei Besprechungen, die jetzt fast nur über Telefon oder PC laufen. „Der weitgehende Verzicht auf persönliche Meetings vergrößert das Risiko, dass Informationen verloren gehen“, sagt Roland. Ganz zu schweigen davon, dass Teams schwerer zusammenwüchsen.

„Die Kollegen haben sich umgestellt, toll an die Situation angepasst und gezeigt, dass sie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen verlässlich arbeiten.“

Roland Kistner, Projektleiter

Im privaten Umfeld sind alle Mitarbeitenden selbst gefordert. Hier kann die Kraftwerksleitung nur appellieren. „Die große Mehrheit der Kollegen ist sich ihrer Verantwortung bewusst und verhält sich auch im privaten Umfeld äußerst umsichtig“, lobt Tom. „Niemand möchte den Betrieb oder seine Kollegen gefährden.“


Teams funktionieren trotz allem verlässlich

Somit lässt sich festhalten: Die Kooperation sowohl zwischen ED-Personal als auch mit Externen gestaltet sich schwieriger, aber: „Dass trotz COVID-19 alles weiterhin gut funktioniert, darauf können wir stolz sein“, betont Roland. „Die Kollegen haben sich umgestellt, haben sich toll an die Situation angepasst und damit gezeigt, dass sie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen verlässlich arbeiten." Tom ergänzt: „Die Kraftwerke laufen ohne COVID-19-bedingte Ausfälle oder Minderproduktionen. Revisionen und Wartungen werden durchgeführt. Alle Kollegen ziehen mit. Ich finde, unter diesen schwierigen Umständen läuft es ausgesprochen gut. Ich bin stolz auf mein Team.“ Natürlich seien die derzeitigen Einschränkungen nicht gerade angenehm. „Verglichen mit vielen anderen Branchen geht es uns aber gut“, hebt Tom hervor. „Unsere Arbeit ist systemrelevant, unsere Arbeitsplätze sind sicher. Das ist heutzutage ein Privileg.“

„Trotz der schwierigen Umstände läuft es gut. Und verglichen mit anderen Branchen geht es uns sogar sehr gut.““

Tom Hellriegel

Das Wasserkraftwerk Ryburg-Schwörstadt

Das 1931 fertiggestellte Wasserkraftwerk Ryburg-Schwörstadt ist mit einer installierten Leistung von 120 MW und einer Jahresproduktion von 760 GWh das größte seiner Art am Hochrhein. Energiedienst und die Konzernmutter EnBW sind an diesem Kraftwerk mit 13 bzw. 25 % beteiligt. Die personelle Betreuung des Kraftwerks liegt in den Händen von Energiedienst.

Spezialkräfte für Ryburg-Schwörstadt

Einen unerwarteten Glücksfall erlebte das Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt. Dort waren für eine größere Baustelle plötzlich Spezialkräfte frei, da sie wegen Corona aus anderen Ländern zurückkehren mussten. „Sie konnten in China und Togo nicht weiterarbeiten und standen uns unverhofft schnell zur Verfügung“, erzählt Roland zum Abschluss.

Alles schon mal dagewesen!?

Von 1918 bis 1920 wütete in mehreren Wellen die Spanische Grippe. Roland Kistner hat einen regionalen Zeitungsbericht zum 100-Jahr-Jubiläum der Pandemie vorliegen. „Dieser Bericht liest sich wie eine Beschreibung aus heutigen Tagen“, sagt Roland: „Anfangs unterschätzt – erste Welle – Maßnahmen – im Frühling Entspannung und Lockerungen – ab Spätsommer deutlicher Anstieg und dann mit vielen Todesopfern.“ Die Zahl der Toten betrug einst viele Millionen. „Wie Führungskräfte und Belegschaft in unseren Kraftwerken einst reagiert haben, entzieht sich leider meiner Kenntnis“, bedauert Roland. „Es wäre sehr spannend, etwas darüber zu erfahren.“


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