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Trockener Sommer ließ Wasserkraft schwächeln

Der Sommer war heftig: nicht nur ziemlich heiß, sondern auch ziemlich trocken. Die Flüsse führten wenig Wasser. Deshalb produzierten die Wasserkraftwerke weniger Strom. Und das ausgerechnet in einem Jahr, in dem die Energiewelt bereits ohnehin kopfsteht.

Kein Wunder also, dass auch die Medien anfragten. Mitte August rückte ein SWR-Filmteam bei energiedienst an. Die Reporter befragten Jochen Ulrich, Leiter Asset Management, zum aktuellen Niedrigwasser. Souverän stand ihnen Jochen Rede und Antwort. Als Drehorte dienten das Kraftwerk Rheinfelden und seine Umgebung sowie das Kleinkraftwerk Hausen III (Wiesental). Während Rheinfelden zu diesem Zeitpunkt mit halber Kraft lief, standen die Schnecken in Hausen III längst still. Denn das dortige Flusswasser reichte nur noch für die Fischtreppe aus.

Ganze 400 Kubikmeter – das sind 400.000 Liter pro Sekunde – betrug der Durchfluss am Kraftwerk Rheinfelden beim Drehtermin. Das klingt nach viel, ist aber nicht einmal die Hälfte der für die Jahreszeit üblichen Menge. Zur optimalen Turbinenauslastung braucht es sogar 1.500 m3/s.

„Wegen der äußerst niedrigen Produktion müssen wir größere Strommengen zukaufen, um die entstandenen Lücken zu schließen. Das schmerzt angesichts der extrem hohen Strompreise von mehreren Hundert Euro pro Megawattstunde.“

Jochen Ulrich, Leiter Asset Management

„Zwei der vier großen Turbinen standen im Sommer still“, erzählt Jochen. Das hatte immerhin einen Vorteil: „Wir konnten die Revision der Turbine 4 vorziehen. Normalerweise revidieren wir erst im Winter, weil es dann grundsätzlich weniger Wasser hat.“

Gleichwohl: Die Trockenheit ist ein Problem, weil sie die Produktion verringert. ED muss dann größere Strommengen zukaufen. „Und das zu extrem hohen Preisen, weil wir europaweit Strommangel haben“, sagt Jochen. Mehrere Hundert Euro kostet die Megawattstunde inzwischen, weil Strom so knapp geworden ist. „Normal“ sind um die 50 Euro.

Infokasten: Warum ist der Strom so teuer?

Wie alle Handelsprodukte verteuert sich auch Strom, wenn er knapper wird. Dass derzeit Stromknappheit herrscht, hat verschiedene Gründe. Zum einen stehen in Frankreich 30 von 56 Kernkraftwerken wegen Mängeln still. Zum anderen schwächelt die Wasserkraft wegen der Trockenheit. „Allein diese beiden Faktoren führten in Europa zwischen Januar und August zu Einbußen von 135 Terawattstunden – also 135'000'000'000 Kilowattstunden – Energie“, weiß Daniel Schölderle, Leiter Vertrieb & Energiewirtschaft. „Diese gigantische Menge – Strom für circa 50 Millionen Haushalte – muss durch Strom aus anderen Energieträgern wie Gas und Kohle ersetzt werden.“

Aber das ist noch nicht alles. Denn bekanntlich ist Gas wegen der Komplikationen mit Russland zurzeit ebenfalls knapp und daher extrem teuer. Und Kohletransporte per Schiff litten unter den niedrigen Flusspegeln: Viele Schiffe konnten nicht fahren, andere nur noch mit halber Befüllung. Und schließlich gibt es da noch das Thema Corona mit unterbrochenen Lieferketten und fehlenden Fachkräften – Grund dafür, dass sich die Wartung der Kernkraftwerke in Frankreich enorm in die Länge zieht.

Schweiz: 60 Prozent Strom aus Wasserkraft

In der Schweiz fällt die wegen der Trockenheit schwächelnde Wasserkraft noch deutlich stärker ins Gewicht. Während Deutschland nur ungefähr 4 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft bezieht, liegt dieser Anteil im Alpenland bei rund 60 Prozent. „Wir im Wallis konnten trotz des trockenen Sommers von den schmelzenden Gletschern profitieren, und unsere Produktion in den ersten acht Monaten entspricht in etwa den Mittelwerten“, sagt Diego Pfammatter, Leiter Produktion bei der ED-Tochter EnAlpin.     

„Für Oktober erwarten wir wieder Normalwerte.“

Diego Pfammatter, Produktionsleiter EnAlpin

Lage normalisiert sich allmählich

Inzwischen hat sich die Lage am Hochrhein ein wenig erholt. „Der Abfluss im September lag zwar auch unter dem Mittelwert, aber durch die zwischenzeitlich einsetzenden Niederschläge war dieser Monat weniger trocken als die Sommermonate“, sagt Jochen. Anders im Wallis: „Mit der Septemberproduktion sind wir unter die Mehrjahresmittelwerte gefallen“, bilanziert Diego. „Der September war unterdurchschnittlich, da die Temperaturen keinen Einfluss mehr auf die Gletscherschmelze hatten und es im Wallis wenig Niederschläge gab.“ Daher hofft man bei EnAlpin auf einen „nassen Herbst“. Für Oktober werden nun wieder normale Werte erwartet.

 

Abhängigkeit von der Natur

Trotz aller Herausforderungen und einer nie da gewesenen Krisenlage auf dem Energiemarkt vermeidet Jochen Superlative und Panikmache. „Der Sommer 2022 war einer der trockensten und die Wasserführung des Hochrheins deshalb ungewöhnlich niedrig. Über die Jahre gesehen, gleichen sich die Wassermengen aber wieder aus. Die Situation zeigt unsere Abhängigkeit von der Natur, zu deren Erhalt wir verpflichtet sind. Daher ist es umso wichtiger, dass wir die Energiewende weiter vorantreiben. Jetzt. Nicht morgen.“


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